Vom Schlachten
Reportage zum Thema Hausschlachtung im Eichsfeld für die Foodzeitschrift Effilee 2009. Für Effilee entstanden zwischen 2009 und 2012 zahlreiche Rezeptstrecken, Fotos und Reportagen: In Die letzten, die Pferd machen mache ich mich auf die Suche nach den letzten Pferdemetzgern Kölns. Hummus statt Hamas beschäftigt sich mit der politisch brisanten Frage, wer den Kichererbsenbrei erfunden hat – Palästinenser oder Israelis? Und in Nee, die gibt’s nicht an der Tanke machen wir Limo selber und bringen sie unters Volk. Und viele mehr… Schöne Geschichten in einem schönen Magazin.
Textauszug: Vom Schlachten
Früher kam im Winter der Hausschlachter. Der Bauer rief ihn, wenn das Schwein fett genug war. Heute ist der Brauch, zu Hause zu schlachten, fast ausgestorben. Doch im Eichsfeld, im ehemaligen Zonenrandgebiet, hat er bis heute überlebt.
1. Akt
Meine Hand umfasst die rostige Türklinke des Hoftores. Es riecht nach Erde, Fleisch und Schnee. Es ist fünf Uhr morgens, ich bin zu spät. Gott sei Dank, die Sau ist tot. Ein alter Trecker brummt in der Mitte des Hofes. Fünfhundert Watt hüllen einen kolossalen Schweinekörper in gelben Nebel. Kopfüber hängt das dampfende Tier am Frontlader. Aus seinem Rüssel tropft Blut auf glänzend schwarze Pflastersteine. Heute ist Schlachttag.
(…) Die Szene auf dem Hof erinnert an ein bäuerliches Interieur von Willem Kalf: Das fast unwirkliche Licht, die provisorischen Holzkonstruktionen, das geordnete Chaos der Gebrauchsgegenstände überall. (…) Das muss die Reifekammer sein. Dahinter liegt die geflieste Wursteküche. Hier wird das Schwein als Eichsfelder Mettwurst, einer groben, naturgereiften Rohwurst, auferstehen. Dazwischen liegen Dekonstruktion und Synthese, oder besser: Schlachten und Wursten. Und damit stundenlange harte Arbeit. (…) Ich suche hier einen Mythos, den ich lediglich aus den Erzählungen meiner Großeltern kenne: Das archaische Ritual, zu Hause auf einem Hof ein Schwein zu schlachten und es mit Haut und Knochen zu verarbeiten – ein winterliches Zeremoniell, das in wenigen Jahren wohl der Vergangenheit angehören wird. (…)
2. AKT
Mit dem ersten Tageslicht kommt der zweite Akt. Ich fühle mich wie nach einer durchzechten Nacht, wenn es hell wird. (…) Alles ist mit Fett überzogen. Von hinten schleicht sich Müdigkeit an… Die Fortsetzung gibt es in Effilee # 4.